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                                  START         Jo Specht                                                                             

Ohne Fortschritt

   Offizier: »Sie sagen, dass die Verhandlungen Fortschritte machen - kleine Fortschritte, aber Fortschritte. Ja, das sagen sie, die anderen. Doch nichts bewegt sich. Sie rühren sich keinen Millimeter von der Stelle. Das sind gemeine Lügner!«

   Soldat: »Über die Aussage von denen, dass es Fortschritte bei den Verhandlungen gibt, berichtet die ganze Welt.«

   Offizier: »Das wollen sie, genau das! Die Welt soll denken, sie sind zuversichtlich, glauben an die Diplomatie, an einen ausgehandelten, baldigen Frieden - wir nicht. Wir blockieren oder hemmen die Verhandlungen. Durch uns gerät alles ins Stocken. Wir sind die Bösen, nicht sie!«

   Soldat: »Ein übler Trick! Nach außen zeigen sie sich verhandlungsbreit, doch in Wirklichkeit blockieren sie alles.«

   Offizier: »Was für Fortschritte sollen das überhaupt sein? Sie sollen Beweise vorlegen. Doch das können sie nicht. Es gibt keine Fortschritte. Sie rühren sich keinen Millimeter. Sie behalten ihre Positionen und wollen, dass wir uns bewegen. Wir sollen auf deren unmöglichen, überzogenen Forderungen eingehen. Sie verarschen die Welt.«

   Soldat: »Und uns!«

   Offizier: »Ja, und uns!«

   Soldat: »Wir wissen es, sie sind so, sie wollen uns vorführen - weiß das auch die Welt? Wir sind nicht die Bösen, wir behindern keine Friedensverhandlungen. Wir nicht, sie schon!«

   Offizier: »Weißt du warum sie das machen?«

   Soldat: Sie wollen Zeit gewinnen! Nur darum geht es ihnen. Sie ziehen die Verhandlungen hin, um Zeit zu gewinnen.«

   Offizier: »Das meine ich auch. Ja, nur darum geht es ihnen.

   Soldat: »Es ist Zeit, in der sie der Welt ihre Verhandlungsbereitschaft heuchlerisch demonstrieren. Es ist Zeit, in der sie auf uns wie verrückt Bomben werfen, Raketen abfeuern und mit Panzern vorfahren. Das alles, um uns weiter zurückzudrängen, um noch mehr Boden bei uns zu besetzen.«

   Offizier: »Ja, sie wollen in der Zeit, in der sie sich offiziell, wie in einer Show, verhandlungsbereit für eine Friedenslösung zeigen, noch mehr von unserem Land einverleiben. Je mehr Land sie von uns haben, desto besser ihre Verhandlungsposition uns und der Welt gegenüber. Das meinen sie!«

   Soldat: »Richtig! Je mehr sie von unserem Land, je mehr Leute sie von uns getötet haben, desto mehr müssen wir auf ihre Bedingungen eingehen. Das wollen sie!«

   Offizier: »Wir wehren uns aber, wir geben nicht nach. Wir kämpfen!

   Soldat: »Deren Taktik hat mit Propaganda zu tun und ist wirklich nicht neu. Sie meinen, dieses böse Spiel perfekt zu beherrschen, schon seit Jahrzehnten. Doch wir durchschauen es.«

   Offizier: »Und die Welt? Die Welt muss endlich aufwachen? Sie haben gesagt, dass sie uns nicht angreifen werden und …«

   Soldat: »Sie haben uns angegriffen!

   Offizier: »Sie haben auch gesagt, dass sie nur militärische Ziele bei uns angreifen, mit ganz präzischen Schlägen.«

   Soldat: »Und sie haben jede Menge Wohnhäuser plattgemacht und jede Menge Zivilpersonen getötet.«

   Offizier: »Sie haben auch gesagt, dass sie Krankenhäuser, Geburtenkliniken, Kindergärten, Supermärkte, Theater und so weiter respektieren - das für sie keine militärische Einrichtungen sind.«

   Soldat: »Es sind keine militärische Einrichtungen und trotzdem haben sie alles plattgemacht.«

   Offizier: »Sie haben der Welt gesagt, dass sie das nicht waren. Wir hätten das alles gemacht, um ihnen diese unglaublichen Taten in die Schuhe zu schieben. Damit sie vor der Welt als die Bösen dastehen.«

   Soldat: »Wir hätten unsere Frauen und Kinder geopfert, damit sie, die uns angegriffen haben, der Welt gegenüber schlecht dastehen? Das ist mehr als verrückt. Das ist teuflisch!«

   Offizier: »Sie sagen, dass wir unsere Landleute, also Zivilpersonen, zwingen würden, in militärischen Einrichtungen zu wohnen, in den oberen Teilen der militärischen Gebäude. Dies würden wir machen, damit sie nicht auf diese Gebäude schießen. Und da sie wie angekündigt auf militärische Ziele schießen, hätten wir diese Leute, unsere Leute, auf dem Gewissen.«

   Soldat: »Natürlich, unser Militär nutzt Wohnhäuser als militärische Einrichtungen - als was genau?«

   Offizier: »Als Waffenlager!«

   Soldat: »Klar, in den Kellern, wo andere ihre Fahrräder und Kartoffeln haben, da haben wir unsere Waffen. Ich habe diese unglaubliche Behauptung auch gehört.«

   Offizier: »Hast du auch gehört, dass sie Bilder von unseren zerstörten Wohnhäusern als Beweise gegen uns nutzen?«

   Soldat: »Was?«

   Offizier: »Mit den Bildern sagen sie, wir hätten die Häuser gesprengt, um die Not unserer Leute weiter zu vergrößern, um in der Welt noch mehr Hilfen zu erreichen. Wir, die Brutalen, Rücksichtlosen, Bösen.«

   Soldat: »Das glaubt die Welt niemals - total abgedreht!«

   Offizier: »Ob sie es glaubt oder nicht, Zweifel und Unsicherheit werden gestreut. Ich habe den Eindruck, das reicht denen schon. Sie wissen, dass das unglaubhaft ist, dennoch behaupten sie es. Ganz nach dem Motto, einige Menschen werden es glauben, bei anderen entstehen Zweifel und Stimmung gegen uns.«

   Soldat: »Die Welt weiß doch, dass sie uns angegriffen haben. Sie sorgen für Blutvergießen und Zerstörung - wir verteidigen uns nur. Warum soll ihnen jemand glauben?«

   Offizier: »Einige werden ihnen schon glauben, leider. Die Menschen sind so.«